Orange Pi – Sinnvoll als Desktopersatz?

Orange Pi – Sinnvoll als Desktopersatz?

AI generiertes Bild eines Computerchips

Nachdem ich wieder einmal etwas Interessantes über Single Board Computer (SBC, oder auch Einplatinencomputer) gelesen hatte, dachte ich mir, dass ich das auch gern einmal ausprobieren möchte. Ein Raspberry Pi kam für mich jedoch nicht in Frage, ich wollte gern eine leistungsstärkere Alternative. Der Markt ist riesig, das Angebot also vorhanden. Von größeren bekannten Marken wie Raspberry, über Odroid bis hin zu Banana Pi.

Orange Pi ist dagegen nicht ganz so bekannt, die technischen Daten und Testberichte überzeugten mich jedoch. Gedacht war der kleine Bolide als Desktopersatz für die täglichen Aufgaben. Im Idealfall mit Fedora KDE. Leider ist das bei den SBC mit ARM nicht ganz so einfach wie bei einem NUC auf x86_x64 Basis. Dazu komm’ ich aber später.

Zuerst fing ich an mich in die Dokumentation einzulesen, das ist ja immer eine gute Sache. Das Betriebssystem wird mindestens einmalig von einer SD Karte geladen, danach kann es auf eine NVMe oder SATA SSD installiert werden. SD Karte? Das antike Ding? – Ja man mag es kaum glauben 😁

Das war auch schon die erste Hürde. Ich hatte noch eine Micro SD rumliegen, inklusive Adapter. Allerdings Class 3 und 4GB groß. Das reicht nicht. Es sollte schon eine Class 10 sein und ca 16 GB werden in den meisten Fällen mindestens empfohlen. Also habe ich mir schnell aus dem örtlichen DM eine entsprechende Karte mit 64GB  und Adapter besorgt. DM Eigenmarke (Paradies) für zirka 11,50 Euro. Funktioniert tatsächlich einwandfrei um die ein oder andere Distribution zu testen, wie das Orange Pi OS, oder auch Armbian, ein sehr interessantes Projekt. Ist ja eh einmalig das System dann kopieren und das war es. Ein Kartenlesegerät gibt es als USB Variante zur Genüge, ich hatte aber tatsächlich noch ein Einbaugerät. Das habe ich kurzerhand genutzt, es funktioniert, nach gefühlt 200 Jahren im Schubfach, tatsächlich noch einwandfrei.

Das war auch schon alles, was ich an Vorbereitung machen konnte. Jetzt hieß es noch ein bisschen warten, bis das sagenumwobene Paket bei mir ist. Das war auch zügig der Fall, nun konnte ich das Gerät auspacken und es zusammen setzen. Es war quasi ein Rohkit, wobei nicht alles daran auch wirklich sinnvoll ist. Der beiliegende Lüfter beispielsweise ist absoluter Mist. Er dreht sich ebenfalls, sofern das Gerät noch aus ist. Selbst nach dem Herunterfahren läuft er auf 100% weiter. Ein Lüfter ist im Übrigen nicht nötig, auch keine Kühlkörper. Das ist gern Beiwerk, aber die Geräte sind dafür ausgelegt auf engem Raum arbeiten zu können. Wenn das Ding 50 – 60 Grad heißt wird, dann ist das ganz normal. Der Lüfter tut mehr in den Ohren weh, als das er irgendwas bringt. Die NVMe auf der Unterseite wird ebenfalls warm, kann nicht gekühlt werden und funktioniert trotzdem hervorragend.

Mehr Bilder davon gibt es auf meinem Pixelfedaccount, für die, die das genauer betrachten wollen.

Nächste Hürde war das Betriebssystem. Fedora bietet für die älteren Orange Pi und Raspberry Pi Images an. Für den RPi 5 oder dem Orange Pi 5 Plus hingegen nicht, das Standard-ARM-Image bootet ebenfalls nicht. Ich suchte demnach nach Alternativen mit KDE und stieß schließlich auf Projekt Armbian. Ein tolles Projekt, welches mir ein aktuelles Image mit KDE Neon spendiert. Das zugrunde liegende System ist ja zweitrangig, wobei ich Fedora dennoch den Vorzug gebe. Als Desktopersatz spielt aber der gewohnte Desktop die deutlich größere Rolle. Bei Serveranwendungen sieht das wieder anders aus.

Schnell also mit Balena Etcher also das Image auf die Karte geschubst und los geht, so dachte ich. Es bootete erstmal problemlos, ein bisschen Einrichtung konnte ich machen, bevor der Desktop einfror. Ein Killen der Plasmashell brachte keinen Erfolg oder überhaupt einen Effekt, es musste tatsächlich neu gestartet werden. Das kam aber mehrfach vor. Also probierte ich Armbian mit KDE-Plasma in der 5er Version. Selbes Ergebnis, es liegt also tatsächlich an KDE. Ich hatte auch Probleme mit den USB-Anschlüssen vorne, daher testete ich das originale Image von Orange Pi. Allerdings sind dort der erste Benutzer vorgegeben, sowie auch Ubuntupaketquellen in der Huawei-Cloud. – Nein danke, weg damit. Ich probierte also nochmal Armbian mit XFCE, das gefällt mir optisch nun gar nicht, dafür funktionierten die Geräte. Also letzter Versuch Gnome auf Armbian. Das lief schon mal richtig super. Auch ein paar Fremdquellen sind dort eingebunden, das muss auch sein für die 3D Beschleunigung. Ansonsten hat man nicht wirklich was von dem Grafikchip. Treiber auf ARM Basis sind noch Mangelware, auch eine gemeinsame Firmware wie UEFI ist noch nicht Standard, daran wird aber gearbeitet, laut dem, was man in Foren so liest. Daher ist das Installieren auch so umständlich im Moment.

Ab auf die SD-Karte, mit Balena Etcher kinderleicht machbar

Die Installation auf die NVMe war die größte Hürde. Ich habe mich letztlich für ein Standardubuntu mit integrierten zusätzlichen Quellen und Gnome entschieden als Distribution. Das lief in meinen Tests richtig schön, wobei auch Armbian mit Gnome gut ist. Das Problem war eher, dass das Flashen nicht problemlos durchlief, ich hatte sehr viele Anläufe benötigt und dann viele Schimpfwörter später, klappte es dann doch. Ich nahm die NVMe und packte sie in meinen Haupt-PC. Dort flashte ich das System direkt auf die NVMe und flashte noch den Bootloader, sodass von der NVMe direkt gestartet werden kann. Darauf hätte ich früher kommen können. Die SD-Karte läuft einwandfrei, jedoch kann sie nicht von sich selbst vernünftig auf die NVMe flashen. Also typischer Fall von Scheiß-SD-Karte. Ist halt keine Sandisk, die laufen besser.

Auch mit mehreren alltäglichen Aufgaben kommt der Kleine nicht an seine Grenze. Thunderbird, 2x Terminal, Dateimanager, LibreOffice, Brave, Florp und Tabby.. Alles gleichzeitig offen

Nun denn, es lief Ubuntu (wahlweise gibt’s auch Debian) endlich und ich probierte die verschiedensten Dinge aus. Standardmäßig läuft MPV als Mediaplayer, der VLC ist fast unbrauchbar, da ihm die zusätzlichen Parameter fehlen, um die 3D-Beschleunigung zu nutzen. Das kann man nachrüsten, dazu hatte ich aber keine Muse. Der MPV spielt Videos bis 3840 x 2160 bei 30 FPS komplett flüssig ab, das ist beeindruckend. Ab der Auflösung von 4096 x 2160 bei 60 FPS ruckelt es jedoch. Leider gibt es Firefox nicht für ARM64 auf Linux, daher nahm ich Brave (Chromium) zum Testen und Floorp (Firefox-Fork via Flatpak). Youtube läuft in 4K unter Floorp etwas besser, als bei Brave. Brave macht bis 1080p eine sehr gute Figur, Floorp kann WQHD etwas besser, bei 4K hängt das Bild hinterher. Brave hingegen kann mit 4K nur noch Diashow, der ewige Kreis lässt grüßen, wohlgemerkt 4K bei 60 FPS. 30 FPS laufen hingegen super. Ein Discord-Sprachanruf lief ohne Probleme fluffig nebenbei. Da gab es keinerlei Probleme.

Ich habe mir die Arbeit gemacht und mal fix Docker noch installiert und lasse mehrere Dienste parallel laufen. Gerade als Miniserver ist es ja sehr interessant. Folgendes habe ich laufen lassen: Immich, Audiobookshelf, Komga, Paperless und Cloudbeaver. Das Starten ging sehr fix und gerade Immich überraschte mich mit der Performance beim Hinzufügen der Bilder. Das ging fluffig von der Hand. Im Hintergrund liefen dann noch ein Youtube HD-Video und Thunderbird. Ganz normaler Desktopalltag also. Zusätzlich war noch Tabby geöffnet (multiple SSH-Sitzungen und Terminal) mit den Docker Statisktiken, sowie ein lokales Terminal um die Statistiken anzuzeigen mit Bottom. Ich bin positiv überrascht wie effizient das Ding läuft. Im Idle liegt der Kleine zwischen 2 – 6% CPU-Last. Nicht einmal richtig warm wird er.

So sah das Ganze dann aus

Während ich Musik nebenbei höre und diesen Artikel hier schreibe, ist der Orange-Pi maximal handwarm und absolut geräuschlos. Richtig angenehm. Für die alltäglichen Dinge reicht er vollkommen aus, ein paar Abstriche muss man aber dennoch in Kauf nehmen. Das ist aber zu erwarten und bei anderen SBC nicht anders. Auch ein Raspberry Pi kann vieles, wenn auch manche Dinge nur mit Abstrichen. Kommen wir also zu den negativen Dingen, die mir bisher aufgefallen sind:

  • Die Softwareauswahl für ARM ist kleiner als für x64 (dennoch nicht winzig), man sollte also vorab mal schauen, ob die Programme des Alltags für ARM verfügbar sind. Das werden sie wahrscheinlich in den meisten Fällen sein
  • Die Orange-Pi Webseite ist eine Katastrophe, nur HTTP (kein Zertifikat, nichts), Downloads von Google Drive, Dokumentation ist hingegen in Ordnung (das Handbuch meines Modells umfasst >500 Seiten)
  • Manche Hardware wird nicht unterstützt (Bluetooth, WLAN gibt es spezielle Karten die getestet wurden), mein Bluetoothadapter findet beispielsweise die Soundbar, kann sich aber nicht verbinden. Das liegt an meinem Modul und an dem nächsten Punkt
  • Es werden spezielle Kernel genutzt, meist von der Community mit gepflegt. Daher ist die Hardware-Unterstützung nicht ganz so wie bei den „großen“ PCs. Es gibt offizielle Hardware von dem Hersteller, die dann aber definitiv läuft
  • Manche Programme laufen nur mit speziellen zusätzlichen Anpassungen (Stichwort HW-Encoding), das ist aber auch zu erwarten

Abschließend bleibt zu sagen, das der Orange-Pi ein kleiner solider SBC ist, der macht wofür er gedacht ist. Die Leistung für das kleine Teil ist überraschend gut, die Softwareabstriche hat man ja mit anderen SBC ebenfalls. Die Community ist groß genug, sodass es tatsächlich eine Alternative zum Raspberry darstellt. Als kleinen Server und NAS kann es definitiv auch seine Stärken ausspielen, sofern man kein Encoding benötigt. Wer eine größere Community haben möchte mit mehr Hilfestellungen, der ist aber mit dem Raspberry besser beraten. Allgemein richten sich SBC aber in erster Linie an Bastler und Interessierte, die auch mal das ein oder andere Problem selber lösen (wollen). Für alle anderen empfiehlt sich sonst eher ein NUC (mit x64), sofern es ein Mini-PC sein soll. Die Frage in der Überschrift, ob er einen sinnvollen Desktopersatz darstellen kann, kann ich für die alltäglichen Sachen mit Ja beantworten.

Geplant ist jetzt noch ein passendes WiFi-Modul und ein anderes Gehäuse. Das beiliegende Gehäuse ist weder schön noch großartig wertig. Der Lüfter, wie bereits geschrieben, überflüssig. Er bekommt hier einen festen Platz. Frisst ja auch nicht viel der Kleine.

2 Kommentare

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Vilmoskörte Veröffentlicht am17:09 - 24. März 2024

@mtex Ich würd's ja lesen, aber dunkelgrau auf schwarz geht leider gar nicht.

    KI generiertes Bild von mir mit blauem Fedora, braunem Bart und schwarz blauer Jacke
    Marcel Veröffentlicht am18:52 - 24. März 2024

    Ich hab es in weiß geändert, das sollte die Lesbarkeit nun verbessern 🙂